Zuma II - Nicola Staeglich, 2022

KEEPING ONE SPACE CLEAR
Kirsten Hutsch, Laura Sachs, Nicola Staeglich

12. Oktober - 20. November 2022
Fr. + Sa. 15:00 - 18:00 Uhr
und während des Zeit.Raum.Ruhr Festivals


Eröffnung: Mi., 12.10. um 19:00 Uhr​​​​​​​
Einführung: Friederike Voßkamp/ Bonn
Performance: Kirsten Hutsch/ Amsterdam
.

Case 02015B, Noon 043D - Laura Sachs
Noon 043D - Laura Sachs
Linen #10 - Kirsten Hutsch
Linen #10 - Kirsten Hutsch, Case 0109H und Dusty - Laura Sachs
Floating Red - Nicola Staeglich, Linen #10 - Kirsten Hutsch, Case 0109H - Laura Sachs
Floating Red - Nicola Staeglich
Floating Red - Nicola Staeglich;  Taped Painting No. 11 - Kirsten Hutsch
Taped Painting No. 11 - Kirsten Hutsch
Performance: Kirsten Hutsch
DOMESTIC PAINTING - Kirsten Hutsch
Einführung von Friederike Voßkamp:
KEEPING ONE SPACE CLEAR ist die erste gemeinsame Ausstellung von Kirsten Hutsch, Laura Sachs und Nicola Staeglich sowie die erste Zusammenarbeit dieser Art mit Daniela Risch, die die Arbeiten der drei Künstlerinnen, die wir heute hier sehen, sehr klug, mit großer Sensibilität und feinem Gespür für die Räumlichkeiten ausgewählt und zusammengestellt hat. Wie der Titel KEEPING ONE SPACE CLEAR – den Raum freihalten oder den Raum leer stehen lassen – andeutet, stehen zwei Phänomene im Mittelpunkt der Präsentation: einmal der Space, der Raum; einmal die – wie ich es nennen möchte – Reduktion, das KEEPING CLEAR, die Konzentration und Verdichtung auf wenige, wesentliche Elemente.
Alle hier präsentierten Arbeiten suchen auf unterschiedliche Weise, sei es durch ihre Objekthaftigkeit, ihre Materialität, ihr Ausstrahlen in die Umgebung oder durch ihre Anbringung, die Auseinandersetzung mit dem Raum. Damit verbunden ist die Interaktion mit uns als Betrachtenden, die wir die Werke in dieser Ausstellungssituation erleben und wahrnehmen, in einer Ausstellungsumgebung, die im KOP.12 eine ganz besondere ist. Denn wir befinden uns nicht in einem cleanen und perfekten White Cube, sondern in einem Raum mit grob belassenen Strukturen und Wänden, von denen der Putz zum Teil abgenommen ist und die ihre eigene changierende Farbigkeit aufweisen. Hinzu kommen die verschiedenen Ebenen, auf die sich der Raum erstreckt.
Der Raum ist also entscheidend für die Wirkung und die Wahrnehmung der hier gezeigten Werke, die gleichzeitig selbst in einer Art Wechselspiel Bezug auf den Raum nehmen. Dies geschieht zum einen in ganz direkter Form wie bei Nicola Staeglich, deren Transparencies betitelte Arbeiten durch ihr semitransparentes Trägermaterial die Raumsituation unmittelbar einbeziehen, zwangsläufig mitdenken und die Wände im Hintergrund durchscheinen lassen. Zum anderen vollzieht sich diese Bezugnahme in mittelbarer Form durch die Objekthaftigkeit der Arbeiten und ihre Materialität, die in den Werken von Laura Sachs und Kirsten Hutsch hervortritt, ebenso wie in Kirsten Hutschs Performance, die wir heute Abend live hier erleben werden.

Neben dem Raum ist es das Phänomen der Reduktion, das sich als verbindendes Element durch die Ausstellung zieht: Reduktion einerseits, was die Anzahl der ausgestellten Arbeiten betrifft, die Daniela Risch mutig begrenzt hat. Damit zusammen hängt eine gleichsam reduzierte Hängung und Präsentationsform; Reduktion andererseits, was die Werke selbst betrifft, denn durch das reduzierte Erscheinungsbild der gezeigten Arbeiten, den konzentrierten Einsatz von Farbe oder Material rückt ein wesentlicher Aspekt in den Vordergrund, nämlich die Materialität des jeweiligen Werks. So ist es bei Nicola Staeglich die Farbe, die eine unmittelbare Wirkung im Raum entfaltet, bei Kirsten Hutsch und Laura Sachs ist es die Leinwand bzw. sind es Strukturen und Texturen des Bildträgers generell, verbunden mit einer dreidimensionalen, nahezu skulpturalen Körperlichkeit, die den Arbeiten innewohnt. Dabei werden Wesensmerkmale und Grundmechanismen von Kunst, speziell von Malerei reflektiert – was steckt hinter dem Einsatz des Materials, der Farbe, dem entstandenen Objekt? Was macht ein Gemälde aus, was kann oder muss die Gattung leisten? Und schließlich: Wie ist unsere Wahrnehmung dieser Aspekte?
Diesen Fragen gehen die Künstlerinnen auf unterschiedliche Weise nach und somit möchte ich sie alle noch einmal einzeln näher vorstellen:
Zunächst Kirsten Hutsch, die in Amsterdam lebt und arbeitet, wo sie nach Stationen in Kampen und Maastricht 1998 ihr postgraduales Studium an der Rijksakademie abschloss: In ihren Arbeiten lotet sie ganz im Sinne der platonischen Ideenlehre das Verhältnis von Abbild und Realität aus und widmet sich Fragen nach der Wahrnehmung von Wirklichkeit. Es geht ihr um den Mechanismus hinter der Malerei. Was macht sie aus und wie wird sie wahrgenommen im Verhältnis zur Realität? Nehmen wir alle die Dinge in unserer Umgebung gleich wahr? Wie ist unser Verhältnis zum „wahren“, realen Ding?
Besonders deutlich wird dies in ihrem Werk Linen, das als bloße auf einen Keilrahmen aufgezogene Leinwand erscheint, die an den Seiten Spuren von weißer Farbe aufweist. Bei näherem Hinsehen erkennt man jedoch, dass es sich um ein Trompe l’oeil handelt, eine verblüffende Augentäuschung. Denn es ist nicht das tatsächliche Material Leinwand, das man sieht, sondern die Struktur einer Leinwand ist mit feinem Pinsel und hoher Präzision auf einer matten weißen Grundierung, die zu den Seiten hin übertritt, illusionistisch nachgemalt. Ähnlich verhält es sich mit ihren sogenannten Taped Paintings, Leinwänden, die über farbige Tapes miteinander verbunden sind, zum Teil auch übereinander gelegt und verklebt werden und dadurch eine gewisse Objekthaftigkeit erhalten. Die Tapes, die Verklebungen zwischen den Leinwänden, stellt Kirsten Hutsch in einem aufwendigen Verfahren selber her. Sie sind so angelegt, dass sie alterungsbeständig und nahezu ewig halt- und haftbar sind. Diese gleichsam archivalische Qualität verleiht der auf den ersten Blick flüchtig zusammengestellten Struktur Dauerhaftigkeit und lässt gleichzeitig ein subtiles Spannungsverhältnis zwischen temporärem, provisorisch anmutendem Zustand und Langfristigkeit entstehen. Die finale Assemblage spielt dabei mit den Vorstellungen von Bild, Illusion und Körperlichkeit und nutzt die Leinwand als Material und Bildträger, aber auch als festen kompositorischen Bestandteil. Wie die Künstlerin selbst sagt, versucht sie sich der Kunst über die Realität zu nähern und der Realität über die Kunst: „I try to deal with reality via art and vice versa with art via reality.“
Ihre 2014 entwickelte Performance Cleaning, die heute Abend erstmals in einem öffentlichen Kunstraum gezeigt werden wird, hat ebenfalls einen konkreten Anknüpfungspunkt zur Realität, nämlich zu Kirsten Hutschs eigener Lebenswirklichkeit und ihrer Erfahrung als Mutter eines damals noch kleinen Sohnes. Das weiland alltägliche Ritual und der sich mehrmals am Tag, gleichsam zyklisch wiederholende Rhythmus von Füttern, Waschen, Ankleiden, Saubermachen und wieder von vorn, der der Erzählung des Sisyphos-Mythos gleicht, zeichnet sich in der Performance unmittelbar ab und führt existenzielle Themen des Lebens vor Augen. Eine Leinwand wird vollständig mit schwarzer Farbe bestrichen, die im nächsten Schritt nach und nach mit einem nassen Lappen abgewaschen wird. Dabei entsteht jedes Mal, wenn der Lappen gewechselt werden muss und die Arbeit somit kurz ruht, ein temporärer Bildeindruck, der mit dem Fortschreiten des Reinigungsprozesses variiert. Die schwarze Fläche zu Beginn zitiert, wenngleich sie heute hier nicht ganz quadratisch ist, ein großes kunsthistorisches Vorbild, die Nullikone der Moderne, das Schwarze Quadrat von Kasimir Malewitsch. Im Anschluss an die heutige etwa 5-minütige Performance wird die gereinigte Leinwand über die Dauer der Ausstellung hier im Raum zu sehen sein.

Bei Laura Sachs, die an der Kunstakademie Düsseldorf bei Hubert Kiecol und Gregor Schneider studierte, geht es ebenfalls um das Material im Zusammenspiel mit der Objekthaftigkeit des Bildträgers, der zum Bildkörper wird.
In ihrer Serie Case steht die reduzierte monochrome Leinwand im Vordergrund. Sie ist matt grundiert, so dass die Oberflächenstruktur erhalten bleibt und eine lebendige Fläche entsteht. Auf die Leinwand werden Metallleisten appliziert, die Laura Sachs selbst als „Eingriffe“ bezeichnet. Sie schaffen bewusste Setzungen und dienen als zusätzliches Verweiselement, das aufmerksam macht und genau hinsehen lässt, denn erst in der Nahsicht wird deutlich, dass die auf diese Weise geschaffenen Linien und Formen nicht aufgemalt sind, sondern es sich um Metall handelt. Gleichzeitig unterstreichen sie den objekthaften, dreidimensionalen Charakter der Arbeiten und bilden einen Materialkontrast, der sich aus der groben, aufgerauten Stofflichkeit der Leinwand und der glatten kühlen Erscheinung des Metalls ergibt. Nicht zuletzt verleihen die Metalleingriffe jedem Werk eine gewisse Singularität innerhalb der als Serie angelegten Reihe.
Ähnlich kommen die Eingriffe auch in der Serie Noon zum Einsatz, wenngleich hier eher als Metallkanten oder kurze Stücke, die die Leinwand zu den Seiten hin umgreifen. Die Leinwand selbst wird in dieser Serie zudem – im wahrsten Sinne des Wortes – von der Rückseite her gedacht, die für Laura Sachs eine besondere Bedeutung hat. So ist sie zwar fester Bestandteil des Werkes, aber trotzdem in der klassischen wandgebundenen Hängung nicht sichtbar und bleibt verborgen. Von der Rückseite her wird die Farbe durch den Leinwandstoff gedrückt und kommt so auf der Vorderseite in sich zufällig abzeichnenden Strukturen zum Vorschein. Die Rückseite erscheint damit in gewisser Weise auf der Bildvorderseite.
In der dritten hier präsentierten Werkgruppe Dusty werden helle sich überlagernde Konturen im schwarzen Bildgrund erschaffen, mit denen Proportionen und Farbverhältnisse als Kompositionsprinzipien von Malerei reflektiert werden. Hinter jedem Werk steht dabei die Frage nach dem Einsatz des Materials: Wie weit lässt es sich reduzieren? Wo wird es zu wenig?

Schließlich die Arbeiten von Nicola Staeglich, die seit 2015 Professorin im Fachgebiet Malerei/Grafik an der Hochschule der Bildenden Künste Essen ist: Mit ihren großflächigen Transparencies schafft sie, wie sie selber sagt, eine Farbräumlichkeit, die eine unmittelbare Verbindung mit der jeweiligen Umgebung eingeht, sei es durch die Art ihrer Anbringung im Raum, die, sofern sie nicht wandbezogen übereinander hängen, eine Bewegung der Betrachtenden um bzw. zwischen den Farbbahnen erlaubt; sei es durch den transparenten Bildträger, der den Hintergrund zwangsläufig durchscheinen lässt und sich damit auch farblich verbindet, als matte Oberfläche aber zugleich auch einen eigenen Raum für die aufgetragene Farbe birgt. Mit diesem transluzenten Papier, einer Mylar-Folie arbeitet sie seit vergangenem Jahr großflächig, wobei eine längere Auseinandersetzung mit verschiedenen Trägermaterialien seit 2019 voranging.
Die Farbe wird mit einem 80 cm breiten Pinsel auf die transparente Folie aufgetragen, so dass die Spuren des Pinsels und die Bewegung des Malaktes sichtbar werden, ein gleichsam performativer Charakter und ein Zeitlichkeitsmoment, die den Arbeiten damit eingeschrieben werden. Bedingt durch das transparente Material wohnt den Arbeiten gleichzeitig ein Auflösungsmoment inne, die Idee des Ephemeren, die Vorstellung von Leichtigkeit, aber auch von Fragilität. Eine entscheidende Rolle spielt für Nicola Staeglich dabei das Licht, das durch die Bahnen hindurch scheint und die jeweilige Farbe im Ausdruck hervorhebt und strahlen lässt, damit sie ihre unmittelbare Wirkung entfalten und in ihrer emotionalen Kraft auf die Betrachtenden einwirken kann.

In diesem Sinne begeben wir uns nun in den Raum – ich wünsche Ihnen viel Vergnügen beim Besuch der Ausstellung und der Begegnung mit den Werken in all ihrer reduzierten, aber nicht minder eindrücklichen Präsenz!​​​​​​​
Friederike Voßkamp




Performance: Kirsten Hutsch
Foto: Klaus Schwichtenberg
Performance: Kirsten Hutsch
Performance: Kirsten Hutsch 
Foto: Klaus Schwichtenberg
Zuma II - Nicola Staeglich, 2022



Diese Ausstellung wird ermöglicht durch die Förderung der Kunststiftung NRW und das Kulturamt Essen.







Back to Top